Was kann ich selbst tun, um in der Zukunft Rücken und Nackenschmerzen zu vermeiden? Dies ist vermutlich die häufigste Frage, die Chiropraktoren im Alltag gestellt bekommen. Es wäre blauäugig zu glauben, dass diese Frage in einigen Sätzen umfangreich beantwortet werden kann. Was wir aber tun können ist Hinweise dafür zu geben, was in unseren Augen wichtig ist. Denn in unseren Augen ist es schon eine große Hilfe, für die Dinge, die Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Wohlempfinden nehmen, sensibilisiert zu sein. Heute möchten wir kurz auf ein für den Rücken sehr wichtiges Thema eingehen: Das Sitzen.
Einfach ausgedrückt sitzt unsere Gesellschaft schlichtweg deutlich zu viel. Denn evolutionär betrachtet ist das Sitzen eine für unseren Bewegungsapparat äußerst unnatürliche Haltung. Wir haben täglich Patienten in der Praxis mit Beschwerden unterschiedlichster Art, welche wir oft ganz oder zumindest teilweise auf diesen „sitzlastigen“ Lebensstil zurückführen würden.
Es hat verschiedene Gründe, warum wiederkehrendes, langes Sitzen problematisch für die Wirbelsäulengesundheit ist. Um nicht zu detailliert zu werden, möchten wir uns bei der Erklärung auf zwei wesentliche Faktoren beschränken:
Vereinfacht gesagt ist das Sitzen eine jener Haltungen, welche relativ viel „Druck“ auf unsere Bandscheiben bringt. Zusammengesacktes Sitzen potenziert diesen Druck nochmal.
Was ist mit „Druck“ gemeint?
Der flüssige Kern in unseren Bandscheiben presst bei Belastungen mit hohem „Druck“ gegen den umschließenden, harten Knorpelring – vorrangig nach hinten. Durch langanhaltenden oder wiederkehrenden Druck kann der flüssige Kern den Knorpelring verformen, wodurch umliegende Nerven irritiert werden können. Man spricht hier von einer Bandscheibenvorwölbung. Sollte sich der weiche Kern weiter in den Knorpel bohren, kann es letztendlich geschehen, dass sich der zähflüssige Kern komplett durch den Knorpelring drückt und umliegende Nerven irritiert. Hier spricht man von einem Bandscheibenvorfall.
Keine Angst. In beiden Fällen können sie von ihrem Chiropraktor effektiv und sicher behandelt werden. In den aller wenigsten Fällen ist eine Operation nötig. Dies ist allerdings ein anderes Thema und wurde bereits an anderer Stelle (hier) vertieft.
Wirkt eine gleich bleibende, nicht traumatisierende Kraft länger auf ein Gewebe ein, kommt es zu einer Deformierung dieses Gewebes. Dieser Vorgang wird als „creep“ (engl.: kriechen) bezeichnet. Somit ist unser Gewebe als plastisch anzusehen denn es passt sich immer den Belastungen an, welche auf es wirken. Setzen wir unseren Körper immer denselben Belastungen aus, wird sich unser Körper langfristig anpassen. Bestimmte Muskelgruppen sind dauerhaft angespannt und verkürzen sich, andere werden unteraktiv. Stabilisierende Bänder der Wirbelsäule können sich überdehnen, andere verkürzen sich. Bandscheiben verändern sich strukturell (wie oben beschrieben) etc. Kurzum: Wiederkehrende, einseitige Belastungen im Alltag bringen Asymmetrien in unsere Wirbelsäule. Ein von Natur aus eigentlich äußerst symmetrisches, stabiles System.
Ich denke, der beste Rat, den wir unseren Patienten am Schreibtisch geben können, ist zu diesem Zeitpunkt eine deutliche Empfehlung, ein zielgerichtetes, konsistentes Programm von Haltungsentlastungsbewegungen durchzuführen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Brügger Relief Position (Beschreibung und Bild unten). Diese Bewegung soll chronische Gewebe- und Haltungsbelastungen umkehren und gleichzeitig eine tiefere Atmung und Entspannung fördern. Obwohl es einige Variationen gibt, wie diese Bewegung durchgeführt werden kann, sind im Folgenden einige Punkte aufgeführt, an denen sie sich orientieren können:
Die Brügger Relief Position ist eines von vielen Werkzeugen, um den negativen Effekten einer sitzenden Tätigkeit entgegen zu wirken. Darüber hinaus empfehlen wir gerne einen zweiten, essenziellen Baustein: Das Sitzen regelmäßig zu unterbrechen. Einfach, oder? Wir alle sollten es uns zur Gewohnheit machen, nach 30 Minuten sitzen für 1-2 Minuten aufzustehen. Somit lassen sich viele der negativen, dynamischen Faktoren (wie der oben beschriebene „Creep“) unterbinden.